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Carl lud zu Tisch

Carl lud zu Tisch​: Ein personzentriertes Tischexperiment mit Diskussion in Leipzig

Entstanden aus dem Schoß der Leipzig-Berlin Verbindung „u35“ fand am 20. April 2018 in Leipzig ein erster Diskussionsabend zum Personzentrierten Ansatz statt. 

Zum Thema Wertschätzung luden wir drei ImpulsgeberInnen ins Cafe Bubu in den Leipziger Osten ein. Die dreißig Stühle und Sofaplätze komplett ausgebucht, waren auch wir als VeranstalterInnen gespannt was uns erwarten würde. Der Rahmen bestand aus Moderation und drei Gängen, die jeweils zur Diskussion mit den unmittelbaren Tischnachbarn nach einem Kurzvortrag serviert wurden. 

Die erste Impulsgeberin, Bettina Wolf, erlebte als Hebamme die Kreißsäle der DDR und die des Westens. Als Mensch, der oft mehrmals täglich bei dem Moment dabei ist, den viele Eltern rückblickend als einen der bewegendsten Momente ihres Lebens beschreiben werden, hatte sie über die Wichtigkeit einer wertschätzenden Atmosphäre viel zu berichten. In den intensiven Sekunden, Minuten, Stunden, wenn ein Kind geboren wird, müssen manche Frauen erfahren, wie schmerzhaft es ist, wenn ein wertschätzender Umgang ausbleibt. Bettina Wolf berichtete von subjektiv wahrgenommener Wertschätzung insbesondere auch aus Sicht ihrer eigenen Profession als Hebamme in ihrem Beruf – durch Frauen und deren PartnerInnen oder durch ÄrztInnen. 

Als zweiten Impulsgeber luden wir Dr. Benno Fabricius, den Leiter der Adaption der Soteria Klinik Leipzig ein. Er bot uns einen Einblick in seine umfangreiche Erfahrung mit KlientInnen und teilte Stationen seines vielseitigen Weges mit uns. Angelehnt an dies regte er die Menschen an unserer Tafel zum Nachdenken an: Wie gehe ich damit um, wenn es mir äußerst schwerfällt, einen Menschen und/oder seine Handlungen wertzuschätzen? Wo beginnt Wertschätzung? Wo endet sie? 

Katrin Summa war als Dritte im Bunde die Impulsgeberin, die durch ihre bald fertig abgeschlossene Weiterbildung in Personzentrierter Psychotherapie die Vertretung des Ansatzes in Form eines Beitrages darstellte. Sie sprach über Wertschätzung bezüglich weniger privilegierten Gruppen, die von Diskriminierung betroffen sind. Außerdem widmete sie sich in einem Teil ihrer Redezeit ganz zentral dem, was Wertschätzung im Personzentrierten Ansatz und im Kontakt zu einem Gegenüber bedeutet. Sie bot der Gesprächstafel Fragen zur Auseinandersetzung mit der eigenen Person an: Was bedeutet es im Kontakt mit KlientInnen wertschätzend mit mir selbst, als BeraterIn oder TherapeutIn, zu sein? 

So saßen wir da, lauschten, aßen, tranken, tauschten uns aus, diskutierten und schwitzten. Die Zeit verging wie im Flug und am Ende konnte jeder das mit in die Nacht nehmen, was für ihn an diesem Abend wichtig war: Begegnungen, fachlicher Austausch, neue Impulse oder Reste vom Aufstrich. 

Dieser Abend wäre nicht zustande gekommen, hätten nicht einige Personen einfach Lust auf dieses Tischexperiment gehabt. Da waren zwei Damen in der Küche, die einfach des Projekts wegen Aufstriche, Kartoffelsuppe und Muffins garniert haben. Da waren zwei Kartoffelschälerinnen am Vormittag, da war handfeste Unterstützung aus Dresden und Berlin. Da waren vorher Menschen, die sich um die Bewerbung der Veranstaltung kümmerten. Und natürlich waren drei ImpulsgeberInnen da, die aus der Lust heraus Ihre Erfahrungen und ihr Wissen zum Thema Wertschätzung in etwa zehnminütigen Impulsen mit allen Anwesenden teilten. Einfach so. Um gemeinsam etwas zu erleben. 

Den personzentrierten Ansatz in Abende, Nachmittage, in Kneipen, Kinos oder zu Kaffee und Kuchen zu tragen, bedeutet für mich kein leichtfertiges Verdünnen des Ansatzes, sondern eine Verbindung von Fachlichkeit und Leidenschaft in Form von Begegnung. Und noch weiter: Menschen, ungeachtet von Herkunft oder Profession, leben und erleben wahrhaftig nicht an Bedingungen geknüpfte Wertschätzung, Echtsein, Beziehung – das bedeutet auch eine gesellschaftliche Positionierung. Eine Positionierung, die jedem zugänglich ist. Jedem, der erleben möchte. Die problemlos neben anderen Angeboten mit teils höher versehenen Hürden, wie zum Beispiel mehrjährigen Weiterbildungen oder Seminaren in Hochschulen, stehen kann. 

Wem auch danach ist, den personzentrierten Ansatz ganz bewusst eben nicht ausschließlich in Institutsräumen, Hochschulsälen, Beratungs- und Therapieräumen einzuschließen, ist herzlich willkommen mit uns Kontakt aufzunehmen. Wir freuen uns schon sehr auf die Vernetzungsmöglichkeiten, die das Projekt 2025 dafür bieten wird. 

Ein kleiner Vorgeschmack: Für uns „Junge“ aus der Leipzig - Berlin Verbindung war das erst der Anfang. Im Herbst werden Veranstaltungen im ähnlichen Rahmen sowohl in Berlin als auch in Leipzig stattfinden. Die ein oder andere Idee und ihre Umsetzung wird noch in diesem Jahr folgen. 

Herzliche Grüße aus Leipzig. 
Lena Staudigl