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Keine Wahrheit. Nirgends. (TEIL 2)

Der fiktive Dialog zwischen einem Frustrierten, einem Dialoger und der Weisheit geht weiter...

Fiktiver Dialog zwischen einem Frustrierten, einem Dialoger und der Weisheit.

F: Haben die noch alle Latten am Zaun? Alles wieder zumachen? Die Leute einsperren? Und dann mit der GSG 9 rein, wenn einer Party macht, oder was?

D: Das geht Ihnen zu weit, dass Ihre Privatsphäre nicht mehr geschützt sein soll. In Ihrer Wohnung ist es Ihre Sache, was Sie da tun.

F: Ganz genau!

D: Da haben Sie Sorge, dass es den Menschen noch viel schlechter gehen wird, wenn ihre Freiheit so beschränkt wird.

F: Klar. Ist doch so! Restaurants, Sportstudios, Cafés – alles wieder zu? Uns als dumme Blagen behandeln? Einem das Leben verbieten? Nicht mit mir.

W (off): „Wenn ich Menschen nicht dazwischen fahre, passen sie auf sich selbst auf. Wenn ich Menschen nicht befehle, verhalten sie sich von selbst richtig. Wenn ich Menschen nicht predige, werden sie von selbst besser.

(Aus Rogers/Schmid: Person-zentriert. S. 51)

F: Ey! Sag ich doch!

D: Das geht Ihnen total gegen den Strich. Nirgendwo mehr hingehen können. Dazu die Sorge, dass Cafes, Kneipen, alle, die jetzt dicht machen müssen, hinterher pleite sind. Verschwunden von der Bildfläche. Und auch die Künstler, Musiker. Das ganze Leben auf der Straße verschwindet. Und dazu noch die Vorschriften gegen Ihre Freiheit. Als wenn Sie nicht selber Verantwortung übernehmen können. Das machen Sie nicht mit.

F: Ja, genau. Mach ich nicht. Ich bin doch nicht blöd. Zieh die Maske an, halte Abstand, bin verantwortlich. Und dann nur in der Bude hocken? Weil die das sagen? Ich bin Single. Da werde ich doch bekloppt.

D: Das macht Ihnen Angst, dass Sie da durchdrehen könnten. Einsam. Isoliert. Alleine zuhause.

F: … mhhh, so (hat Tränen in den Augen).

W (leise, nur für D hörbar): „Fragen Sie, wo und wie die betroffene Person die Angst spürt, sprechen Sie Gedanken und Gefühle an, die mit der Angst verbunden sind.“( Aus Behr /Hüsson u.a.: Gespräch hilfreich führen, 254 f)

D: Die Angst, die da kommt, wo in Ihrem Körper ist sie am stärksten?

F:… na hier. In der Brust. Schnürt mir die Luft ab.

W (off): „ Realistische und unrealistische Ängste fühlen sich sehr ähnlich an. Ängste sind unangenehm, aber nicht gefährlich. Versuchen Sie nicht, der Angst auszuweichen, sondern mit ihr umzugehen.“ (ebd. 258)

F: Mann! Und?

D: Wenn Sie die Angst fragen könnten, was das Schlimmst ist in diesem Augenblick. Was würde die Angst sagen?

F: Scheiße, was denn? (schnieft) Das Schlimmste… So alleine sein… Ja. So.

W (off): „ ‚ Der Mensch […] wird nur unter Menschen ein Mensch – sollen überhaupt Menschen sein, so müssen mehrere sein‘, schreibt etwa Johann Gottlieb Fichte (1762 – 1814).(Rogers / Schmid, ebd., S. 62)

F: Was soll ich denn machen? (leise, nachsinnend). Mal sehen, was geht…. (lächelt D schief an).

W (liest aus dem off vor): „Will man ein umfassendes Verständnis des Menschseins gewinnen, müssen Individualität und Relationalität zusammengedacht werden: Person ist dann einer, der sein Selbst-Sein in einmaliger Weise unaustauschbar verwirklicht, indem er sich mehr und mehr zu jener Persönlichkeit entwickelt, die er sein kann; indem er für andere da ist, sein Menschsein in tiefster Weise vollzieht, daß er anderen Raum gibt, sie liebt, weil er selbst sich als ein von anderen her Ermöglichter und Geliebter vorfindet – als einer, der schon angesprochen wurde, bevor er noch selbst sprechen konnte und nun Antwort gibt und Verantwortung übernimmt und trägt – und diesen Prozeß selbst wieder bei anderen aufs Neue hervorruft.“ (ebd. S. 147).