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Die GwG trauert um ihre Mitgründerin Dr. Agnes Wild-Missong

Am 15. Oktober 2022 ist Dr. Agnes Wild-Missong verstorben.

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Agnes Wild-Missong wurde 1931 in Wien geboren. Nach ihrer Promotion an der Universität Bern arbeitete sie über lange Jahre an einer Psychologischen Beratungsstelle in Zürich. In dieser Zeit absolvierte sie ihre Ausbildung in Gesprächspsychotherapie bei Reinhard Tausch in Hamburg. Sie gehörte 1970 zum Gründerkreis der GwG und war als Schatzmeisterin Mitglied im ersten GwG-Vorstand.

Bereits seit Mitte der 1960er-Jahre arbeitete Agnes Wild-Missong in Zürich als niedergelassene Psychotherapeutin. Ihr besonderes Anliegen war immer die Integration von Gesprächspsychotherapie und Focusing. Reinhard Tausch und Eugene Gendlin bezeichnete sie einmal als ihre Lehrer. Sie war es auch, die 1975 Gendlin zu einem GwG-Symposium einlud und damit die Verbreitung von Focusing in Deutschland, Österreich und der Schweiz maßgeblich beeinflusste. In der Folge begann Agnes Wild-Missong gemeinsam mit anderen Kolleg*innen, z.B. Johannes Wiltschko, Focusing im deutschsprachigen Raum zu lehren.

Agnes Wild -Missong war über Jahrzehnte an allen GwG-Kongressen und Tagungen beteiligt. Ihre Workshops und Vorträge fanden viele Zuhörer*innen und führten dazu, dass immer mehr Menschen sich einer Focusing-Fortbildung zugewandt haben. Auch im Programm der GwG waren ihre Fortbildungen ein wichtiger Bestandteil.

Agnes Wild-Missong war eine Brückenbauerin zwischen Gesprächspsychotherapie und Focusing. In einer Festschrift zum 80. Geburtstag von Reinhard Tausch (2001, GwG-Verlag, S. 360)) schreibt sie: „Sicher machte Rogers Focusing. Er sprach von Experiencing. So wurde der Erlebensprozess genannt. Gendlin griff den Begriff Experiencing auf, differenzierte ihn und baute eine Experiencing-Theorie auf.“ Sie führte dann aus, dass es durch die Umbenennung von Experiencing in Focusing zu Missverständnissen zwischen Vertreter*innen der Gesprächspsychotherapie und den Focusing-Vertreter*innen kam. Sie kommt dann jedoch zu dem Schluss „Focusing funktioniert überhaupt nur auf klientenzentrierter Basis.“ (ebd. S. 361) und stellt so wieder die Gemeinsamkeiten von Gesprächspsychotherapie und Focusing heraus.

Mit Agnes Wild-Missong verliert die GwG nicht nur eine ihrer Gründerinnen, sondern eine große Vertreterin des Personzentrierten Ansatzes.

Michael Barg